Waveguides werden auch als kurze Hörner bezeichnet. Waveguides sind die kleineren Versionen von Hörnern: kleine Trichter in deren Mulde das Chassis verbaut wird.
Waveguides profitieren nur eingeschränkt vom Druckkammereffekt und haben einen deutlich geringeren Wirkungsgrad als große Hörner. Das Ziel von Waveguides ist eine verstetigte Abstrahlung.
Waveguides verbessern die Leistungsanpassung des eingebetteten Lautsprechers an die Umgebungsluft - jedoch nicht in dem Ausmaß wie es bei großen Hornvorsätzen der Fall ist. Der Druckkammereffekt tritt nur in Ansätzen auf.


Lautsprecher haben konstruktiv immer das Problem, dass die Abstrahlung im unteren Frequenzbereich zu breit und im Hochton zu stark gebündelt ist. Um ein frequenzneutrales Abstrahlverhalten zu erzielen muss die Abstrahlung bei den höheren Tönen etwas verbreitert werden und der untere Bereich muss etwas stärker gebündelt werden.


Ein Waveguide greift an genau dieser Stelle an. Bei hohen Frequenzen hat ein Waveguide kaum noch eine Auswirkung auf den Frequenzgang, bei tiefen Frequenzen verstärkt es jedoch die Bündelungswirkung des eingebetteten Lautsprecherchassis.

In den folgenden Abbildungen  ist das horizontale Abstrahlverhalten von zwei unterschiedlichen Lautsprechern mit und ohne Waveguide in der Isobarendarstellung gezeigt.

Beide Lautsprecher strahlen im Grundton bei ca. 100Hz sehr breit und gehen bei höheren Frequenzen immer stärker in die Bündelung. Der linke Lautsprecher hat bei der Übernahmefrequenz von ca 1000Hz eine deutlich sichtbare -  und hörbare - Sprungstelle in der Directivity.


Bei dem rechten Lautsprecher wurde das Abstrahlverhalten durch ein Waveguide verstetigt: Im tieferen Arbeitsbereich des Hochtöners wird dessen Abstrahlung deutlich stärker gebündelt und passt sich somit dem bereits stark gebündelten Abstrahlverhalten des Tiefmitteltöners an. Das im Waveguide eingebettete Chassis wird in Wirkungsbereich des Chassis zusätzlich um einige wenige dB lauter, der axiale Frequenzgang sollte durch die Frequenzweichen begradigt werden.

Werden Tieftöner und Mitteltöner bezüglich Ihres Biegewellenverhaltens für den Einsatz oberhalb von ka=1 optimiert und werden Mittel und Hochtöner in ihrem Frequenzbereich durch Waveguides unterstützt ist dies eine einfache und wirksame Möglichkeit einen Lautsprecher mit einer starken und stetigen Directivity zu konstruieren. Im der professionellen Studiotechnik sind entsprechende Lautsprecher häufig zu finden.

 

Auszug aus einem Artikel der Zeitschrift Klang & Ton 5/06, S.54

"Der Waveguide - so funktioniert`s

Übersetzt heisst Waveguide "Wellenleiter", was seine Arbeitsweise eigentlich schon perfekt beschreibt. Wie er genau funktioniert, erklären die folgenden Abschnitte.

Die Funktion
Die Membran eines Lautsprecherchassis gibt ihre Bewegungen als akustische Energie an die umgebende Luft ab. Das Prinzip funktioniert aber nicht immer und überall beliebig gut, es ist im Gegenteil sehr abhängig von Membranfläche und Frequenz. Kalottenhochtöner mit gängigen 25 Millimetern Membrandurchmesser sind ab ca. 1 - 2 kHz am Ball, darunter lässt sich die Luft von der kleinen Membran kaum zum Mitschwingen überreden. Hier kann man zum Beispiel mit einem Waveguide nachhelfen. Die Funktion ist mit einem Horn vergleichbar, allerdings besitzen Waveguides im Allgemeinen keine Druckkammer und haben einen deutlich grösseren Öffnungswinkel. Ihre schalldruckverstärkende Wirkung ist daher geringer und beschränkt sich nur auf den unteren Teil des Übertragungsbereichs. Dort stellt sich der Trichter der Luft in den Weg, die der Membran auszuweichen versucht. Sie muss sich wohl oder übel beugen und den Membranbewegungen folgen, was zu einer verbesserten Kopplung und damit höherem Schalldruck führt. Bei höheren Frequenzen ist die Kopplung auch ohne Waveguide schon so gut, dass er hier keine Wirkung besitzt.

Sinn und Zweck...
... des Waveguides sind eine kontrollierte Abstrahlcharakteristik, eine gesteigerte Belastbarkeit und eine verbesserte Ankopplung an den Tiefmitteltöner. Zweiweg-Systeme mit "normalen" Hochtönern zeigen prinzipbedingt ein eher ungleichmässiges Rundstrahlverhalten. Das liegt an der zunehmenden Bündelung der Chassis mit steigender Frequenz. Bei niedrigen Frequenzen strahlt ein Tiefmitteltöner noch kugelförmig ab. Ab dem Mittelton aufwärts beginnt das Chassis dann merklich zu bündeln, je grösser, desto mehr. Irgendwo zwischen 2 und 3 kHz folgt im Allgemeinen die Trennung zum Hochtöner, der bei für seine Verhältnisse niedrigen Frequenzen, also im Übernahmebereich, ebenfalls gut rundstrahlt. Erst am oberen Ende des Hörbereichs macht sich seine Bündelung bemerkbar.
Betrachtet man den Frequenzgang des Gesamtsystems, so erkennt man ein unstetiges Rundstrahlverhalten. Und da wir nun mal nicht nur "auf Achse" hören, sondern auch mitbekommen, was ein Lautsprecher unter Winkel in den Raum abgibt, kann sich diese Unstetigkeit klanglich durchaus negativ bemerkbar machen.
Der mit Waveguide bestückte Hochtöner kennt dieses Problem nicht, sein Vorsatz bündelt den Schall im unteren Bereich in Richtung der Hauptabstrahlachse. Gerade im für Räumlichkeit und Tonalität wichtigen Mitteltonbereich werden so die Raumreflexionen verringert, ein Grund, warum Waveguides gerne in Studiomonitoren eingesetzt werden. Der Tontechniker will schliesslich hören, was aufgenommen wird, und nicht, was der Raum daraus macht. Ein positiver Nebeneffekt der gesteigerten Bündelung im Mittelton ist die Verringerung von unerwünschten Kantenreflexionen. Gerade Hochtöner sind, was Gehäusekanten angeht, besonders empfindlich und reagieren gerne mit einem welligen Frequenzgang. Diese Eigenschaft wird durch den Waveguide verringert, da der Schall nur noch dessen Wände, aber nicht die Kanten des Gehäuses "sieht".
Auch die Ankopplung an den bzw. die Tiefmitteltöner wird durch den Waveguide verbessert. Wenn man sich einmal den Flächenunterschied verdeutlicht, der beim Wechsel vom Tiefmittel- zum Hochtöner geschieht (bei 17 cm TMT und 25 mm HT ungefähr Faktor 20!), wird anschaulich klar, dass der Hochtöner jede Unterstützung im Übernahmebereich gebrauchen kann. Und obwohl der Waveguide hier nicht aktiv, sprich mitschwingend, eingreift, unterstützt er die kleine Membran auf passivem Wege, indem er ihre Arbeit über die oben beschriebene, bessere Ankopplung an die Luft effizienter gestaltet. Auf diese Weise entsteht eine virtuelle Vergrösserung der Membranfläche, die den Faktor wesentlich verbessern wird.
Auch stellt sich die Frage, weshalb es sinnvoll sein sollte, mehr Pegel zu erzeugen, wenn man ihn hinterher wieder mühsam wegfiltern muss. Genau in der Filterung liegt aber der Trick. Sie setzt früher und steiler ein, was nicht nur die Belastbarkeit des Chassis erhöht, sondern auch Verzerrungen mindert. Gerade am unteren Ende seines Übertragungsbereichs ist die elektrische und mechanische Belastung für einen Hochtöner gross, daher reagiert er positiv auf jede Entlastung.
Der räumliche Versatz nach hinten ist ebenfalls eine positive Eigenschaft des Waveguides. Bei einer normalen Kalotte sitzt das akustische Zentrum zumeist viel weiter vorne als das des konusförmigen Tiefmitteltöners. Durch diesen mechanischen Versatz entsteht zwangsläufig ein Phasenproblem zwischen den Treibern, das auf anderem Wege, zum Beispiel über eine Stufe im Gehäuse oder die Frequenzweiche gelöst oder schlicht und ergreifend in Kauf genommen werden muss. Der Waveguide rückt den Hochtöner einige Zentimeter nach hinten, so dass er sich deutlich näher am Schallentstehungsort des Tiefmitteltöners befindet. Diese mechanische Phasenkorrektur begünstigt die räumliche Wiedergabe, weil die Wellenfronten der Box auf einer Ebene entstehen. "

"Was ist mit Energiefrequenzgang gemeint?

Der Energiefrequnzgang ist der Frequenzgang der Schallenergie, den eine Box abstrahlt, unabhängig davon in welche Richtung der Schall abgestrahlt wird.

Frequenzgänge beziehen sich üblicherweise auf den Schall, den eine Box gerade nach vorne abstrahlt. In einem resonanzarmen ("schalltoten") Raum beobachtet man tatsächlich, dass Lautsprecherboxen mit ähnlichem Frequenzgang in der Hauptabstrahlrichtung auch ähnlich klingen, wenn man vor ihnen sitzt. Vergleichbares ist unter Freifeldbedingungen zu beobachten. In einem Wohnraum hingegen stellt man fest, dass Lautsprecher mit gleichem Frequenzgang auf Achse zum Teil eine sehr unterschiedliche Klangfarbe erzeugen. Ursache hierfür ist der Indirektschall, also Schallanteile, die nicht auf geradem Weg vom Lautsprecher zum Hörer gelangen, sondern an Fußboden, Decke, Wänden oder Möbelstücken teilweise mehrfach reflektiert werden, bevor sie das Ohr des Hörers erreichen. Einsichtigerweise muss dieser Schall ursprünglich nicht unbedingt in Richtung des Hörers abgestrahlt worden sein.
Der Energiefrequenzgang liefert ein Maß dafür, wie stark der Raum mit diffusen Schallanteilen angeregt wird, die als Indirektschall beim Hörer eintreffen. Besonders bei großen Hörabstaänden und bei halligen Räumen sollte Wert darauf gelegt werden, dass auch der Energiefrequenzgang im Bereich oberhalb ca. 250 Hz möglichst gerade verläuft. Der Frequenzgang unter ca. 250 Hz hat kaum Einfluss auf die Klangfarbe, sondern wird separat als mehr oder weniger Bass wahrgenommen."

 

Hificompass schreibt:

"The soundstage is what fundamentally distinguishes horn or waveguide based loudspeakers from ones with direct radiators. So, all that I will say applies to waveguide / horn speakers to a greater or lesser extent. These are family features, so to speak. Direct radiated loudspeakers have a wider sound dispersion, so they illuminate the room to a greater extent. They have a lower direct-to-diffuse sound ratio. Hence all the properties of their sound stage - as a rule, it is wider and deeper, they give us the impression of a larger size of the imaginary venue, in which musicians create, and better convey the hall atmosphere. They form the soundstage a kind of slightly blurred sound cloud, in which all sound images are not very precisely localized (relatively horn/waveguide designs) and don't have clear contours. Such systems place you in approximately 8-10 rows of the concert hall, you observe what is happening on the stage as if from a distance, the action takes place somewhere there.

Waveguide systems, on the contrary, better controls the radiation pattern, therefore, the ratio of direct to diffuse sound is higher, the influence of the first room reflections is much less, so, the localization and focusing of sound images is much better. The sound images have very precise, not blurried outlines, and sometimes even seeming a little subtle. They are exactly where a sound engineer put them when mixing the phonogram. Misical instruments and performers seem to be pulled from the depths of the stage closer to the foreground, or, to put it another way, such systems put you in rows 2-4 of the concert hall, depending on the width of the radiation pattern. This creates some additional involvement in the ongoing musical action. The subjectively perceived sound attack and macrodynamics of such systems are higher. Among the shortcomings, I would note a simplified atmosphere of the hall, its "breathing". It is this soundstage that waveguides forms.

It is also worth noting the excellent constancy of sound dispersion. Even with a large shift off the sweet point the correct tonal balance is preserved without the subjective feeling of loss of high frequencies, the overall soundimage remains almost unchanged."

 

Hier füge ich gerne folgendes Zitat von Dr. Joseph D'Appolito ein:
"Keine erfolgreiche Lautsprecherkonstruktion kommt an der Meßtechnik vorbei, denn so unbestechlich das menschliche Gehör auch sein mag, bleibt es doch aufgrund seiner unglaublichen Lernfähigkeit immer ein sehr subjektives Meßinstrument.... Das Gehör "lernt" im Laufe der Zeit die Klangcharakteristik häufig gehörter Lautsprecher und meldet bei Veränderungen zuerst einmal einen Fehler. In vielen Fällen bewirkt eine solche Veränderung selbst dann, wenn sie objektiv eine Verbesserung darstellt, zuerst subjektiv einen negativen Eindruck. Erst mit der Zeit stellt sich das Gehör auf die neue Situation um, und die Änderung wird dann auch subjektiv positiv bewertet."

 

Quelle:  Olson " baffle shape and diffraction "