" Die Spanngitterröhre Telefunken ECC803S wird wie die meisten anderen Röhrentypen schon lange nicht mehr produziert. Sie erzielt als ungebrauchte Röhre (NOS = New Old Stock) aufgrund der noch bestehenden Nachfrage in Anbetracht der geringen noch verfügbaren Anzahl astronomisch hohe Verkaufspreise. Sie ist nicht nur pinkompatibel sondern auch elektrisch kompatibel zur weitverbreiteten ECC83 bzw. E83CC. Die ECC803S wird gern als High-End-Version dieser Röhre und aufgrund der Spanngittertechnik obendrein als Krone des Elektronenröhrenbaus angepriesen, unterstützt durch die völlig irrsinnigen Verkaufspreise gemäß "was teuer ist, muß auch gut sein". Nachfolgend erfahren sie, was von solchen Aussagen zu halten ist, was die Telefunken ECC803S von anderen Röhren unterscheided und ob sie wirklich so einzigartig ist, wie sie aufgrund des hohen Preises erscheint. Nachfolgend erfahren Sie zudem, ob sich die Geldausgabe lohnt und welche Alternativen es gibt.

Die Telefunken ECC803S ist pinkompatibel sowie auch elektrisch kompatibel zur weitverbreiteten ECC83 bzw. 12AX7. Es handelt sich also um eine Doppeltriode, die für Vorverstärkeranwendungen im Niederfrequenzbereich konzipiert wurde. Im Gegensatz zur ECC83 bzw. 12AX7 ist die Telefunken ECC803S mit einem sogenannten Spanngitter ausgerüstet, weshalb man sie als Spanngitterröhre bezeichnet.
Um's in kurzen Worten zu sagen: Spanngitterröhren sind grundsätzlich anders aufgebaut als "normale" Röhren. Bei ihnen ist der Gitterdraht extrem dünn, und zwar deutlich dünner als ein menschliches Haar und viel dünner als die Gitterdrähte normaler Röhren. Damit die Windungen des Gitters trotz ihrer geringen Dicke und der damit einhergehenden sehr geringen mechanischen Stabilität in Position bleiben, bedient man sich eines Tricks: Man verwendet einen stabilen Rahmen und wickelt auf ihn mit sehr hohem Zug den Gitterdraht. Durch den hohen Zug bilden die einzelnen Windungen keine hübsche Spirale mehr, sondern werden zwischen dem Rahmen absolut geradegezogen. Wie Saiten sind damit die Windungen fest auf den Rahmen gespannt, wodurch sich die einzelnen Windungsteile auch bei hoher Vibrationsbelastung nur noch um wenige Mikrometer bewegen können. Durch den hohen Zug, die kurze "Saitenlänge" und den geringen Durchmesser wird zudem erreicht, daß die Eigenfrequenz über dem Hörbereich liegt und damit im Audiobereich nicht mehr stö

Telefunken ECC803S, die einzige Spanngitterröhre?

Gelinde gesagt ist das alles ziemlicher Blödsinn, auch wenn die ECC803S in der Tat eine gute Röhre war, die die gravierendste Schwäche der meisten ECC83-Versionen ausmerzte, nämlich deren Mikrofonieempfindlichkeit. Fangen wir einmal bei der Entzauberung mit der Spanngittertechnik an: Diese kam keineswegs ausschließlich in der ECC803S zum Einsatz. Die ECC803S war auch bei weitem nicht die erste Spanngitterröhre, und sie ist auch keineswegs eine Erfindung der sagenumwobenen Firma Telefunken. Die Entwicklung der Spanngittertechnik erfolgte nämlich schon während des 2. Weltkrieges. Die erste kommerziell erhältliche Spanngitterröhre war die C3g, und der Hersteller Siemens (wohlgemerkt nicht Telefunken!) brachte sie bereits 1952 auf den Markt, also gut ein Jahrzehnt vor der ECC803S. Es handelte sich bei der C3g um eine sogenannte Weitverkehrsröhre, die in Telefonübertragungsanlagen verwendet wurde. Es folgten zahlreiche weitere Spanngitterröhren, u.a. die heutzutage in Audiokreisen bekannte und geschätzte ECC88 bzw. E88CC bzw. PCC88, die eigentlich als HF-Röhre das Licht der Welt erblickte. Insbesondere waren auffallend viele der von bestimmten Leuten gern als Fernsehschrott verunglimpften P-Röhren in dieser Technologie aufgebaut, und natürlich auch die davon abgeleiteten E-Röhren (d.h. mit anderem Heizer). Als Telefunken die Serienproduktion der ECC803S begann, war die Spanngittertechnik also schon längst eine verbreitete und bewährte Technik. Und wenn man ihre Systeme mit denen der PCC88 bzw. den daraus abgeleiteten ECC88 und E88CC vergleicht, wird man feststellen, daß sie vom grundsätzlichen mechanischen Aufbau her identisch sind. Eine elektrisch zur ECC83 kompatible Spanngitterröhre gab es überdies schon vor der ECC803S von Philips und Siemens, nämlich die E283CC. Die E283CC ist zwar elektrisch zu 100% kompatibel zur ECC83, besitzt aber eine abweichende Pinbelegung. Zur ECC803S kann man daher auf gut' Deutsch nur sagen: "Im Westen nichts Neues!" Hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine kleine Liste von Spanngitterröhren:

Ein pikantes Detail ist, daß die in Fernsehgeräten weitverbreitete, in extrem großen Stückzahlen gebaute und daher sehr preiswerte PCF86 ebenfalls eine Spanngitterröhre ist, zumindest was das Pentodensystem angeht. Sie beweist, daß die Spanngittertechnik nicht teuer in der Herstellung war. Speziell die für die Fernsehtechnik entwickelten P-Röhren mit Spanngitter, die nahezu jeder Hersteller im Programm hatte, zeigen sehr eindrucksvoll, daß die Spanngittertechnologie keinesfalls eine Technologie war, die nur Telefunken beherrschte. Und es ist auch keineswegs so, daß das Wissen um diese Technologie verlorengegangen ist, denn Spanngitterröhren werden auch heute noch gefertigt, sogar ECC83-kompatible, nämlich die zur Tfk ECC803S baugleiche JJ ECC83S. Um noch eins draufzusetzen, ist zur Firma Telefunken zudem anzumerken, daß sie zwar qualitativ durchaus gute Röhren produzierte, aber gegenüber der Konkurrenz weder einen Technologievorsprung besaß noch generell qualitativ herausragend war, auch wenn heute bestimmte Leute immer wieder das Gegenteil behaupten und Telefunkenröhren ohne jeden technischen Nachweis als die Krone des Röhrenbaus darstellen. Daß Telefunken überdies nicht immer mit glücklicher Hand agierte, zeigt die völlig in den Sand gesetzte Entwicklung der Stahlröhren. Details finden Sie im Internet mit einer Suchmaschine Ihrer Wahl unter diesem Begriff.


Vorteile der Telefunken ECC803S

Wie bei allen Spanngitterröhren liegt der größte Vorteil der Telefunken ECC803S darin, daß sie gegenüber den vielen Varianten der ECC83 bzw. 12AX7 mit konventionellem Gitter deutlich weniger mikrofonisch ist. Entsprechend ist sie prädestiniert für Umgebungen mit hoher Schwingungsbeanspruchung. Für Audioanwendungen ist dies allerdings normalerweise eher weniger relevant - am ehesten noch in Gitarrencombos oder anderen Verstärkern, die einem sehr hohen Schalldruck ausgesetzt sind. Wie bei etlichen anderen Röhren für den professionellen Einsatz (z.B. E83CC) ist bei der ECC803S zusätzlich die Toleranz zwischen den beiden Triodensystemen geringer und wird auch garantiert, die Lebensdauer ist mit 10.000 h deutlich größer, die Zuverlässigkeit sprich Ausfallrate über die garantierte Lebensdauer ist geringer und an der speziellen Katode bildet sich auch bei langem Betrieb ohne Anodenstrom keine Zwischenschicht, die die Emission verringern würde. Auch diese Eigenschaften spielen für Audioanwendungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle und haben mit der Spanngittertechnologie nichts zu tun. Für Vorstufen interessant ist hingegen, daß sich durch den geringen Drahtdurchmesser und den geringen Abstand zur Katode ein etwas geringeres Rauschen ergibt. Die Kennlinien sind jedoch wiederum absolut identisch zu normalen Röhren des Typs ECC83. Aufgrund ihrer Eigenschaften ist sie ganz klar die technisch beste ECC83-kompatible Elektronenröhre, die es je gab. Die Frage ist nur, ob man diese Eigenschaften in der jeweiligen Anwendung auch wirklich voll ausschöpfen kann oder ob man im übertragenen Sinn mit einem Ferrari in engen Gassen unterwegs ist.


Alternativen zur Telefunken ECC803S

Das Preisniveau von originalen Telefunkenröhren und speziell von solchen des Typs ECC803S hat inzwischen eine Höhe erreicht, bei dem man als normaler Mensch nur den Kopf schütteln kann. Erklärbar sind hohe Preise grundsätzlich durchaus, nämlich durch bestehende Nachfrage bei niedrigen Restbeständen. Nicht erklärbar ist jedoch, daß einige wenige Leute bereit sind, mehr als 500 € (Stand Mai 2010) für eine einzige Röhre zu bezahlen, was sie zur teuersten Kleinleistungsröhre macht.

Es gibt allerdings Alternativen zur inzwischen völlig überteuerten Telefunken-Röhre. Eine davon stammt vom ehemals tschechoslowakischen Hersteller Tesla. Telefunken verkaufte nämlich 1972 das komplette Fertigungsequipment für die ECC803S an die in der Tschechoslowakei ansässige Firma Tesla. Tesla produzierte danach noch lange Zeit diese Röhren auf den Originalmaschinen, verkaufte diese jedoch leider nicht unter der gleichen Typenbezeichnung sondern fatalerweise als E83CC, obwohl zu diesem Zeitpunkt andere Hersteller unter dieser Typenbezeichnung schon lange Röhren mit konventionellem Gitter für professionelle Anwendungen anboten (also mit eingeschränkter Toleranz, längerer Lebensdauer etc.). Um die Verwirrung komplett zu machen, gab es seinerzeit vom Hersteller Tesla zusätzlich auch eine ECC803S, die jedoch über ein ganz konventionelles Gitter verfügte. Wieso Tesla auf diese Schnapsidee kam, ist auch heute noch schleierhaft, zumal das S in der Typenbezeichnung bei Telefunken explizit für "Spanngitter" stand. Der Elektronenröhrenhersteller JJ übernahm von Tesla nicht nur die Fertigungslinien für einige Röhrentypen sondern leider auch den Unfug in der Namensgebung und bietet auch heute noch Röhren unter der Typenbezeichnung ECC803S an, die mit einem konventionellen Kerbgitter ausgestattet sind.

Wenn Ihnen also das Telefunken-Original zu teuer ist, wäre das inzwischen zwar ebenfalls überteuerte Tesla-Pendant zu rund einem Zehntel des Telefunkenpreises eine gute und zudem die einzige Alternative, wenn es unbedingt eine zur ECC83 elektrisch kompatible Spanngitterröhre aus alter Fertigung (also NOS) und mit identischer Pinbelegung sein soll. Eine Alternative mit allerdings abweichender Pinbelegung ist die weiter oben erwähnte E283CC von Siemens und Philips; man benötigt hierfür also einen Adpatersockel.

Erheblich preiswerter und ohne Adpatersockel geht's, wenn Sie sich mit Röhren aus aktueller Produktion anfreunden können. Die JJ ECC83S ist nämlich nicht nur ebenfalls eine ECC83-kompatible Spanngitterröhre, sondern wird auf genau der Fertigungslinie gebaut, die seinerzeit Tesla von Telefunken übernahm. Am Ende der Röhrenära, als die Röhrenpreise wegen mangelnder Nachfrage ins Bodenlose fielen, verkaufte nämlich Tesla seine Kleinleistungsröhrensparte incl. aller Fertigungseinrichtungen an einen gewissen Jan Jorgo, der diese nun eigenständige Firma in Anlehnung an seine Initialen JJ Electronics nannte. Der Firmensitz befindet sich in der heutigen Slowakei (Tesla existiert übrigens heute ebenfalls noch und produziert in Tschechien hauptsächlich Senderöhren). Das vielbeschworene Wissen, wie man Spanngitterröhren fertigt, ist also entgegen wortreicher demagogischer Darstellungen mitnichten verlorengegangen, zumal sich auch heute noch bei diversen Herstellern andere Spanngitterröhren in Produktion befinden - also alles kein Hexenwerk! Es ist noch nicht einmal das Wissen verloren gegangen, wie man ECC83-kompatible Spanngitterröhren produziert, denn die JJ ECC83S wird ja immer noch produziert. Wundersamerweise ist heutzutage die JJ ECC83S eine der preiswertesten ECC83-kompatiblen Röhren überhaupt und steht im krassen Widerspruch zu den Behauptungen, daß die Spanngittertechnik eine höchst komplizierte und teure Technik sei.

Die JJ ECC83S ist allerdings selbsternannten Audiophilen offenbar viel zu billig und wird daher in nicht wenigen Foren oft als schlecht klingender Müll abgetan. Meistens wissen genau diese dominant auftretenden "Spezialisten" weder, daß es sich um eine Spanngitterröhre handelt, noch daß sie auf der originalen Telefunken-Fertigungslinie hergestellt werden, sondern sehen alleine den geringen Preis, der für sie schon per se ein K.O.-Kriterium ist. Ein weiteres K.O.-Kriterium ist für sie, daß sie aktuell noch produziert wird, denn nach deren Verständnis können selbstverständlich nur NOS-Röhren (= New Old Stock, d.h. ungebrauchte Röhren aus alter Produktion) gut klingen. Dieses Schicksal teilten lange Zeit auch die vom jugoslawischen Hersteller EI auf der ehemaligen Valvo- sprich Philips-Fertigungslinie gefertigten ECC83-Röhren. Nach Einstellung der Produktion gelten sie inzwischen ebenfalls als Edelware und erzielen fast schon so hohe Preise wie in der Röhrenära hergestellte Röhren.

Die JJ ECC83S ist heute absolut gesehen (d.h. ohne inflationsbedingte Wertbereinigung) billiger zu haben, als das Original damals kostete. Effektiv ist sie also heute ganz erheblich preiswerter als die Tfk ECC803S. Dies konnte natürlich nur durch Vermeidung unnötig kostentreibender Maßnahmen erreicht werden wie z.B. der Verzicht auf eine garantierte Toleranz zwischen den beiden Triodensystemen, die Telefunken durch Selektion (und damit teures Verschrotten vieler Röhren) erreichte, um den Anforderungen von Meßgeräteherstellern etc. gerecht werden zu können, für die speziell bei in Meßgeräten eingesetzten Differenzverstärker eine geringe Toleranz zwischen beiden Systemen einer Röhre funktionswichtig war. Die Verwendung in Audioverstärkern war jedenfalls für Telefunken kein primäres Ziel bei der Entwicklung der ECC803S. Auch das Vergolden der Anschlußpins ist generell bei Elektronenröhren eine eher exotische Maßnahme, die bei Audioschaltungen im Gegensatz zu Meßgeräten etc. nicht wirklich notwendig ist und auf die JJ daher wie schon Tesla am Ende der E83CC-Produktion verzichtet. Entsprechend werden diese Röhren auch nicht zeitaufwendig eingebrannt, was ebenfalls Kosten spart. Da röhrenbestückte Meßgeräte heutzutage genausowenig mehr eine Rolle spielen wie damit ausgerüstetes militärisches Gerät, ist eine auf Biegen und Brechen erzielte geringe Toleranz überhaupt nicht erforderlich. Audioverstärker können davon ohnehin nicht profitieren. Wer, aus welchem Grund auch immer, trotzdem enger tolerierte Röhren benötigt, kann sich diese nach dem Einbrennen leicht aus mehreren ausmessen. Dieses Einbrennen der Röhren kann man leicht selbst vornehmen, und zwar sogar völlig ohne weitere Hilfsmittel im eigenen Verstärker.

Ich kann Ihnen daher wärmstens empfehlen, die JJ ECC83S einmal selbst auszuprobieren, wenn Sie auf der Suche nach einer ECC83-kompatiblen Spanngitterröhre sind, zumal sie zu einem sehr geringen Preis verkauft wird. Allerdings muß ich Sie warnen: Diese Röhre klingt genauso wie die Tfk ECC803S weder besser noch schlechter als andere ECC83, ist aber weniger mikrofonisch! Theoretisch denkbar ist lediglich ein Klangunterschied zwischen Spanngitterröhren und normalen 12AX7/ECC83 bei extrem hoher Lautstärke z.B. in Gitarren-Comboverstärkern, in denen die Röhren einer nennenswerten Schwingungsbelastung ausgesetzt sind. Hier nochmal eine Übersicht über die verschiedenen Hersteller und deren Typenbezeichnungen, um Verwechslungen zu vermeiden:

Hersteller   Typ   Gitter
Telefunken   ECC803S   Spanngitter
Tesla   E83CC   Spanngitter
JJ   ECC83S   Spanngitter
alle   ECC803(S)   Konventionelles Gitter
alle außer Tesla   E83CC   Konventionelles Gitter
alle   ECC83   Konventionelles Gitter


Wie Sie sehen, sind ausschließlich die Telefunken ECC803S (NOS), die Tesla E83CC (NOS) und die JJ ECC83S (aktuell in Produktion) Spanngitterröhren. Weder die zeitgenössische ECC803S von Tesla noch die aktuelle ECC803S von JJ verfügen über ein Spanngitter, und alle anderen ECC83 oder ECC83-Klone ohnehin nicht.


Achtung Fakes

Das bereits astronomisch hohe und immer noch steigende Preisniveau hat leider Betrüger auf den Plan gerufen, wobei es vielerlei Betrugsversuchsmaschen gibt. Die kriminellste ist, bei irgendwelchen ECC83-kompatiblen Röhren den Aufdruck zu entfernen und durch einen nachgemachten Telefunkenaufdruck zu ersetzen, was bedauerlicherweise sehr einfach zu bewerkstelligen ist. Die Lightversion eines Betrugsversuchs ist, unterschwellig eine JJ ECC803S (wie bereits dargestellt eine ganz andere Röhre ohne Spanngitter) als Baugleichheit der gleichnamigen Telefunkenröhre für teures Geld verkaufen zu wollen. Es ist daher sehr anzuraten, nicht dem Aufdruck blind zu vertrauen, sondern sich das Innenleben etwas genauer anzuschauen (siehe Bild 1 und 3), zumal man dafür keinerlei Spezialkenntnisse braucht.

Man kann am von außen sichtbaren Aufbau der Röhre recht gut erkennen, ob es sich um die gesuchte Spanngittervariante oder um eine Röhre mit ganz normalem Gitter handelt: Am auffallendsten ist, daß das Spanngittersystem eine vergleichsweise geringe Höhe von nur ca. 9,5 mm besitzt. Es ist völlig ausreichend, wenn Sie ein Lineal an die Röhre halten und mit dessen Hilfe die Höhe des Systems grob schätzen. Allerdings gibt es durchaus auch andere Röhren mit relativ kleinem System, sodaß die Größe allein kein ausreichendes Kriterium darstellt. Im Anodenblech ist jedoch zusätzlich eine für Spanngitterröhren charakteristische Einbuchtung vorhanden, die die wirksame Anode bildet. Dieses Detail kann man, weil sich das Innere der Röhre in einem Hochvakuum befindet und man daher keinen Zugriff auf das Innenleben hat, im Gegensatz zum äußeren Aufdruck glücklicherweise nicht nachträglich verändern. Alles, was anders aussieht und/oder größer ist, ist definitiv weder eine Telefunken ECC803S noch eine Tesla E83CC noch eine JJ ECC83S. Abschirmbleche und Konstruktion des Getters müssen allerdings nicht absolut genauso wie auf dem Foto aussehen, da es während der Produktionszeit bei allen Herstellern offenbar einige Modifikationen gab. Die Telefunkenröhre war übrigens immer mit Goldpins ausgestattet, während die Tesla-Variante zuerst nur mit Gold- und später auch mit normalen Pins verkauft wurde. Die JJ ECC83S besitzt standardmäßig normale Pins, aber es sind auch Röhren dieses Typs mit vergoldeten Pins aufgetaucht. Mir ist nicht bekannt, ob JJ diese Röhren so ausliefert, oder ob die Vergoldung nachträglich aufgebracht wurde.

Es ist nicht auszuschließen, daß findige Zeitgenossen bereits auf die Idee kamen, Tesla- oder JJ- Spanngitterröhren mit einem Telefunkenaufdruck zu versehen, wodurch obige Überprüfung ins Leere laufen würde. Wenn Sie eine originale Telefunkenröhre kaufen möchten, ist es deshalb zusätzlich ratsam, sich den Röhrenboden von der Stiftseite aus anzuschauen. Alle von Telefunken selbst gebauten Röhren, zu denen die ECC803S gehörte, sind nämlich im Gegensatz zu den zugekauften und nur unter dem Telefunken-Markennamen vertriebenen Röhren mit der bekannten Telefunkenraute versehen, einer rautenförmigen Prägung in der Mitte des Röhrenbodens (siehe Bild 1 rechts). Diese läßt sich nachträglich nur extrem schwer ins Glas einprägen, vor allem ohne verräterrische Spuren zu hinterlassen.

Selbst wenn es sich wirklich um ein Original handelt, kann es bei Online-Auktionen genauso wie bei anderen gesuchten Röhren passieren, daß die Röhre gebraucht ist, aber als NOS verkauft wird, weil die originale Röhrenschachtel "rein zufällig" noch vorhanden war. Wenn sie nicht wirklich stark gebraucht ist oder der Verkäufer so clever war, die Röhre vor Verkauf zu regenerieren, kann man dies selbst mit einer Emissionsmessung nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Dem Fachmann hilft als Anhaltspunkt ein Blick durch ein Mikroskop auf die Stifte, aber auch das ist keine Methode, die in der Lage ist, jeden Schwindel aufzudecken. Sollten Sie eine Telefunken ECC803S kaufen wollen, ist daher äußerste Vorsicht angebracht, speziell bei Online-Auktionen windiger Anbieter. Dies trifft auch für die baugleiche Tesla E83CC zu; hier ist es darüberhinaus leider sehr einfach, eine JJ ECC83S in eine Tesla E83CC umzuetikettieren, da die JJ-Röhren von späten Versionen der Tesla E83CC optisch nicht zu unterscheiden sind. Die größte Sicherheit hat man bei einem alteingesessenen und bekannt seriösen Röhrenhandelsunternehmen. Bei der JJ ECC83S können Sie hingegen ziemlich sicher sein, neue und originale Ware zu erhalten, da sich aufgrund des niedrigen Preises Betrügereien nicht wirklich lohnen.

Die Frage ist aber ohnehin, ob es für Audioanwendungen unbedingt eine Telefunken ECC803S sein muß. Wenn Sie aus klanglichen Gründen die Anschaffung erwägen, werden Sie ohnehin Schiffbruch erleiden: Die Kennlinien sind mit denen von ganz normalen ECC83 absolut identisch, also wo sollten klangliche Unterschiede herkommen? Daraus, daß die elektrischen Toleranzen enger sind, kann man in Audioverstärkern keinen Vorteil ziehen, und außerdem bietet dies auch eine E83CC - genauso wie eine erhöhte Zuverlässigkeit und eine verlängerte Lebensdauer. Der Hauptvorteil einer prinzipiell höheren Steilheit wurde bereits seitens des Herstellers der Kompatibilität zur ECC83 geopfert, so daß als einzige nutzbare Vorteile die Mikrofoniearmut und das etwas geringere Rauschen bleiben. Spanngitterröhren sind daher zwar eine exzellente aber im Falle besagter NOS-Röhren eine teure (Tesla) bis extrem teure Wahl (Telefunken), sofern Sie sich mit Mikrofonieproblemen herumschlagen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die ganz erhebliche Mehrausgabe eher nicht sinnvoll. Und selbst bei Problemen mit Mikrofonie lassen sich diese auch erheblich einfacher und preiswerter beheben, nämlich mit der JJ ECC83S. Es besteht zusätzlich noch eine kostenlose Möglichkeit, Mikrofonie zu begegnen: Einfach den Verstärker dorthin stellen, wo er keinem hohen Schalldruck ausgesetzt ist. Zum Rauschen ist anzumerken, daß die mögliche Verbesserung selbst im Extremfall nur minimal ist und darüberhinaus ein deutlich vernehmbares Rauschen meistens ganz andere Ursachen hat.


ECC803S-Kuriositäten

Es war bei bekannten Markenherstellern immer schon gängige Praxis, das eigene Sortiment durch Zukauf von Röhren zu erweitern oder aber Kapazitätsengpässe durch Zukauf zu überbrücken. In diesem Fall wurden die Röhren zwar von einem anderen Hersteller gefertigt, aber schon gleich bei Produktion mit dem jeweiligen Markenemblem des Auftraggebers versehen. Diese Praxis wurde dadurch ausgeweitet, daß gegen Ende der Röhrenära die nachgefragten Stückzahlen immer mehr in den Keller gingen und ein Hersteller nach dem anderen die Produktion unlukrativer Röhren aufgab, aber weiterhin diesen Röhrentyp im Sortiment halten wollte. Aus dieser Zeit stammen einige mit der Telefunken ECC803S baugleiche Röhren, die einen gänzlich anderen Markennamen tragen. Dies ist dadurch erklärbar, daß Tesla zu diesem Zeitpunkt die Rolle des Auftragsfertigers übernommen hatte und seine OEM-Kunden mit ihren Spanngitterröhren belieferte. So ist es nicht verwunderlich, daß z.B. Siemens-ECC83-Röhren in Spanngittertechnik verkauft wurden. Tesla verkaufte diese Röhren kurz vor Aufgabe der gesamtem Radioröhrenfertigung zusätzlich auch unter dem eigenen Markennamen als Tesla ECC83. Solche Röhren sind jedoch extrem selten.

Eine andere Kuriosität sind Röhren, die zwar mit "ECC803S" bedruckt sind, ein anderes als das bekannte Telefunkenlogo tragen, aber wundersamerweise mit einer rautenförmigen Prägung zwischen den Anschlußstiften versehen sind, Goldpins besitzen und auch tatsächlich Spanngitterröhren sind. Die Erklärung dafür ist, daß auch Telefunken als Auftragsfertiger für andere OEMs tätig war. Solche Röhren, die z.B. als Lorenz-Röhren verkauft wurden, sind jedoch noch seltener als umgelabelte Spanngitterröhren von Tesla."

 

Quelle: elektronikinfo.de